Donnerstag 28. März 2024

6. April 2013

Technik

Das neue Einsatzleitsystem der Wiener Berufsfeuerwehr

Einleitung Am 1. Juli 2007 wurde das neue Einsatzleitsystem der Berufsfeuerwehr Wien - das ELS 2007 - in Betrieb genommen und löste damit das seit 20 Jahren im Einsatz befindliche System ab. Dieser Stichtag stellt den Abschluss einer entscheidenden Phase der Modernisierung des softwaregestützten Alarmierungssystems dar. Die Pläne für dieses neue System wurden bereits 2001 geschmiedet, bis es dann Mitte 2003 zur Auftragsvergabe an die Wiener Softwarefirma RTS - Real Time Computersoftware - zur Erstellung eines neuen Einsatzleitsystems kam. Anforderungen Die Anforderungen an das neue Einsatzleitsystem waren einerseits, dass alle Funktionen des seit 1988 im Betrieb befindlichen Softwaresystems berücksichtigt werden müssen. Andererseits muss das System flexibel und modular aufgebaut sein, damit neue Funktionsmodule und Kopplungen zu externen Geräten und Datenquellen jederzeit hinzugefügt werden können. Die permanente Verfügbarkeit des Einsatzleitsystems sowie die Sicherheit der Daten müssen an erster Stelle stehen. Die Benutzerfreundlichkeit des Systems soll durch die Wahl eines passenden Betriebssystems sowie einer intuitiven Programmbedienung perfektioniert werden. Weiters wurde gefordert, dass es einen fließenden Umbau vom „alten“ ELS geben muss: Module des neuen ELS 2007 müssen mit den Daten des alten ELS arbeiten können, Einsatz- und Fahrzeugdaten müssen im laufenden Betrieb in das neue ELS 2007 übernommen werden können. Es darf dabei faktisch keine oder nur eine minimale Unterbrechung des laufenden Betriebes geben. Umsetzung – Hardware Nach einer 6-monatigen Pflichtenheft und Analysephase wurden die Vorbereitungen für die ersten Umbauten in Angriff genommen. Ein neues ausfallsicheres Netzwerk wurde in der Zentrale Am Hof installiert und mittels überwachter Leitungen mit allen Wachen verbunden. In der Zentrale wurde zusätzlich noch ein zweites Netzwerk für einen eventuellen Notbetrieb aufgebaut. Damit ein ungestörter Betrieb in der Nachrichtenzentrale möglich ist, wurden die 16 Arbeitsplatzrechner in einen getrennten Serverraum „verbannt“. Im dritten Stock, Haus 10, wurde dieser neue Serverraum errichtet. Er beinhaltet neben der ebenfalls neuen Telefonanlage zwei der ELS-2007- Server und die Arbeitsplatzrechner der Nachrichtenzentrale. Damit die Bildqualität der bis zu 60 Meter entfernten Arbeitsplätze nicht beeinträchtigt wird, wurden pro Arbeitsplatz drei Bildverstärker installiert. Damit konnte auf den drei TFT-Bildschirmen jedes Arbeitsplatzes eine hervorragende Bildqualität erreicht werden. Aus Redundanzgründen wurden die anderen beiden Server des ELS 2007 im Serverraum im Keller der Zentrale untergebracht sowie vier Arbeitsplätze in der Ausweichzentrale im zweiten Keller aufgebaut. Weitere zehn Büro- und Technik-Arbeitsplätze wurden in der Zentrale und je ein Arbeitsplatz auf jeder Haupt- und Zugswache installiert. Insgesamt mussten 40 neue Arbeitsplätze aufgebaut werden. 80 neue Drucker wurden installiert, sodass Ende 2004 alle Arbeitsplätze und Drucker in Betrieb genommen werden konnten. Auf den Arbeitsplätzen wurde aber noch mit dem „alten“ ELS gearbeitet. In der Nachrichtenzentrale wurden zwei Großbildanzeigen, eine TFT-Wand mit 24 Monitoren und eine Rückprojektionswand mit acht Stück 50“-Flächen, installiert. Umsetzung – Software Als Betriebssystem wurde für das ELS 2007 einheitlich Microsoft Windows 2003 verwendet. Diese Wahl gestattet neben dem 24-Stundenbetrieb der Arbeitsstationen eine Wartung derselben, ohne dabei die Platzbenutzung stören zu müssen. Die Bedienung des Systems kann durch ein einheitliches Bedienprogramm durchgeführt werden. Dabei sind zusammengehörige ELS-2007-Funktionen in Module gegliedert, die unabhängig voneinander austauschbar bzw. erweiterbar sind. Das Bedienprogramm des ELS 2007 wurde durch sinnvolle Reduzierung und übersichtliche Aufteilung der dargestellten Information so gestaltet, dass vor allem die Einsatzannahme und -alarmierung zügig durchgeführt werden können. Mit dem Bedienprogramm kann, je nach Einstellung, in allen ELS-2007-Daten beliebig gesucht, sortiert und gefiltert werden. Das Bedienprogramm kann auf ELS 2007 interne Daten sowie auf extern angebotene Daten zugreifen. So werden zum Beispiel Straßendaten und GIS-Daten der MA14 in die Alarmierung integriert oder auf die SOS-Datenbank der MA68 zugegriffen, um den Alarmschreiben Zufahrtsrouten hinzufügen zu können. Im Kern des ELS 2007 sorgt eine Speziallogik dafür, dass alle in das System eingegebenen und verarbeiteten Daten so in den Datenbanken der ELS-Server gespeichert werden, dass bei Ausfall einer der Server keinerlei Datenverlust oder Inkonsistenz entstehen kann. Um diesen Kern herum wurden Service-Module aufgebaut, die zentrale Funktionen des ELS durchführen. Alarmierungsvorschlag, Fahrzeugdisponierung, Brandmelderalarmierung, Datenfunkauswertung, Fernwirkalarmierung und Notalarmierung sind nur einige von ihnen. Alle Service-Module sind mehrfach ausgelegt, um einen Ausfall jederzeit kompensieren zu können. Die Bedienprogramme mit ihren Modulen bilden die grafische Oberfläche des ELS 2007. Auf den Großbildwänden werden Wien-Übersichtspläne und der aktuelle Fahrzeugstand angezeigt. Die Steuerung der Anzeigen kann von den Arbeitsplätzen aus durchgeführt werden. Ein spezielles Verfahren sorgt dafür, dass zu 100 % erkannt wird, ob gemeldete Alarme automatischer Brandmelder übernommen und der Alarmierung zugeführt werden. Ein weiteres Verfahren sorgt für die automatische Verteilung und Installation von Modul- Änderungen und neuen Modulen zu den 40 Arbeitsplätzen des Systems. Inbetriebnahme Der 1. Juli 2007 wurde als Stichtag für die Umschaltung auf das neue ELS 2007 gewählt. Die Umschaltung konnte in einem Tag durchgeführt werden, wobei der eigentliche Systemwechsel innerhalb einer Stunde stattfand. Die Einsatzannahme und –alarmierungsfähigkeit der BFW konnte auch während dieser Zeit aufrechterhalten werden. Seit diesem Stichtag wird mit dem ELS 2007 die Einsatzleitung erfolgreich durchgeführt. Zukünftiger Ausbau Der zur Zeit erfolgreich in Betrieb befindliche Grundstock des ELS 2007, der die gesamte Funktionalität des alten Einsatzleitsystems beinhaltet, wird künftig durch weitere Module, die gemeinsam mit den Disponenten nach dem Motto „Wünsch Dir was“ entwickelt werden, erweitert. Diese Erweiterungen gehen in die unterschiedlichsten Richtungen. So wird unmittelbar vorbereitet ein GISModul zu installieren. In diesem Modul wird das Gebiet rund um den Einsatzort in einem Stadtplan angezeigt. Auch kann mit Hilfe dieses Stadtplans der Einsatzort gesucht und festgelegt werden. Zwei weitere ELS-Server werden in Betrieb genommen. Ein Server dient als Ausweichsystem im Falle eines Totalausfalls des Hauptnetzwerkes. Der andere Server wird die Aufgabe der Datenarchivierung übernehmen und es ermöglichen, für Nachforschungen oder zu Statistikzwecken auf Einsatzdaten seit 1990 zugreifen zu können. Zur Unterstützung der Disponierung der Fahrzeuge wird ein Erinnerungs- und Hinweissystem installiert werden. Damit können zeitliche Abläufe überwacht, aber auch Informationen zum späteren Gebrauch hinterlegt und abgerufen werden. Ein Modul zur Erstellung von Presseberichten und formatierten Berichten ist in Planung. Ein weiteres geplantes Modul wird die Verrechnung, das Drucken der Bescheide und die Rechnungsverfolgung von bezahlten Einsätzen übernehmen. Somit kann die MA68 Verrechnungen direkt aus dem ELS 2007 heraus abwickeln. Die Bescheidausstellung und Nachverfolgung kann damit effizienter und schneller, nämlich tagesaktuell, durchgeführt werden als bisher. Auch ist es möglich, das Modul zur statistischen Auswertung des Einsatzgeschehens so in das ELS 2007 zu integrieren, dass die gewonnenen Ergebnisse auch in grafischer Form auf den Großbildwänden dargestellt werden können. Vor allem aktuelle Auswertungen des Tagesgeschehens werden einen raschen Überblick über die momentane Situation bieten. Es gibt bereits Vorbereitungen, um bis Mitte des nächsten Jahres eine neue Fernwirkanlage an das ELS 2007 ankoppeln zu können. Damit kann die seit 1988 bestehende Anlage, die für die Alarmierung verantwortlich zeichnet, abgelöst und durch eine moderne Anlage ersetzt werden. Um die Schulung von Personal bei der Bedienung des ELS 2007 zu unterstützen, gibt es die Möglichkeit ein eigenes Simulations- Modul zu integrieren. Mit dessen Hilfe können dann bestimmte Ausgangssituationen und Ereignisse simuliert werden, um dem Disponenten im Zuge von Aus- und Weiterbildungen eine möglichst reale Situation anzubieten, in der er dann die richtigen Aktionen setzen muss. Weiters gibt es die Möglichkeit, ein Modul für die Darstellung und Nachverfolgung der Alarmierungsabläufe, sowie ein Modul für die Unterstützung von Ursachenanalysen bei aufgetretenen Problemfällen zu integrieren. Falls die Einsatzzentrale am Hof 7-10 durch externe Ereignisse nicht mehr benutzbar wird, wären alle Server des ELS 2007 ebenfalls davon betroffen. Aus diesem Grund wird überlegt, eine abgesetzte Ausweichzentrale zu errichten. Dem Kern des ELS 2007 wird dann ein weiteres Serverpaar hinzugefügt werden, sodass alle Daten und alle Service-Module auch auf diesem abgesetzten System zur Verfügung stehen, um im Bedarfsfall die Einsatzleitung übernehmen zu können. Oberbrandrat DI Rainer Haslinger
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